Argentiniens ´infame Dekade´ der 1930er Jahre und die Flucht deutscher Juden an den Rio de la Plata
Dr. Bernd Wulffen (Botschafter a.D., Berlin)
Dienstag, 20. September 2022, 19.15 Uhr
Saalbau Dornbusch, Eschersheimer Landstraße 248
Die teilweise auf riskanten Wegen aus Europa geflüchteten deutschen Juden trafen bei ihrer Ankunft auf eine gespaltene argentinische Gesellschaft: auf der einen Seite Faschisten und Nationalisten, auf der anderen Seite Liberale, die sich an den Idealen der französischen Revolution orientierten. Trotz Manipulationen von Wahlen, Unterdrückung der Opposition sowie schwerer Fälle von Korruption und Vetternwirtschaft war Argentinien in den 1930er Jahren keine Diktatur. Doch die Kluft zwischen demokratischer Verfassung und autoritärer Machtausübung war so groß, dass man später in Bezug auf dieses Jahrzehnt von der „década infame“ sprach.
Viele der geflüchteten deutschen Juden taten sich anfangs schwer. Sie besaßen kaum spanische Sprachkenntnisse und dazu eine akademische Ausbildung, mit der sie in Argentinien nichts anfangen konnten. Einige gingen aufs Land, und so waren sie gezwungen, ohne praktische Erfahrungen eine harte, ungewohnte Arbeit auf sich zu nehmen. Doch ihre Kinder schickten sie wieder auf die Universität. So entstand der einprägsame Satz: „Sie säten Weizen und ernteten Doktoren“.
Der Vortrag beleuchtet den dornenvollen Weg der Integration der Geflüchteten in das Argentinien der damaligen Zeit und schildert anhand von Beispielen, wie diese Erfahrung in der Erinnerung der nachfolgenden Generation weiterlebt.
Zur Person des Vortragenden
Dr. Bernd Wulffen ist promovierter Jurist und trat 1969 in den diplomatischen Dienst des Auswärtigen Amts ein. Nach einer ersten kurzen Station in Madrid kam er 1970 als Kulturreferent und Konsul an die deutsche Botschaft in Buenos Aires. Anschließend übernahm er Posten in Asunción, Mexiko-Stadt und zahlreichen Ländern außerhalb der iberoamerikanischen Welt. Erst am Ende seiner aktiven Zeit, mit der Übernahme des Botschafterpostens in Havanna, kehrte er wieder in diese zurück. Seitdem er im Ruhestand ist, hat er mehrere Bücher über Lateinamerika, insb. zu Argentinien verfasst.